Was ist der härteste Moment im Leben eines Unternehmer:in? Diese Frage stellen mir Berufseinsteiger:innen und Gründer:innen oft. Ob bei einem Gastvortrag, einer Präsentation oder im persönlichen Gespräch – die Idee scheint angehende Unternehmer:innen zu beschäftigen.
Diese Frage lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten. Jeder Mensch ist einzigartig und empfindet daher eine ganz individuelle Situation als DEN „härtesten Moment“.
Deshalb stelle ich Ratsuchenden zunächst eine einfache Gegenfrage: „Was ist deiner Meinung nach der härteste Moment im Leben eines Unternehmer:in“?
In acht von zehn Fällen ist die erste Impulsantwort auf diese Frage das Scheitern mit dem eigenen Unternehmen. Aber ist das wirklich so?
Meiner Meinung nach ein klares NEIN. Vor allem, wenn man das Thema aus internationaler Perspektive betrachtet. Die „Kultur des Scheiterns“ in den USA beispielsweise ist ganz anders als in Deutschland, Indien oder Singapur.
Aufgrund dieser Vielfalt möchte ich die Frage anhand meiner persönlichen Erfahrung und unzähligen Gesprächen mit erfahrenen Unternehmer:innen und Führungskräften im internationalen Kontext beantworten.
Lass uns also gemeinsam etwas tiefer in das Thema eintauchen.
„Der härteste Moment im Leben eines Unternehmer:in ist nicht das Scheitern mit dem eigenen Unternehmen, sondern der Verlust des Selbstvertrauens.“
Wenn ich diesen Gedanken mit meinen Gesprächspartner:innen teile, erlebe ich ganz unterschiedliche Reaktionen: Von Erstaunen über Innehalten bis Enttäuschung ist alles dabei.
Letztere Reaktion finde ich besonders wertvoll. Warum?
Nicht selten beruht diese Enttäuschung darauf, dass Selbstvertrauen für Unternehmer:innen eine Selbstverständlichkeit ist.
Wenn mein Gesprächspartner:in und ich im Dialog dem Aspekt des Selbstvertrauens auf den Grund gehen, wird eines deutlich: Gerade Jungunternehmer:innen haben oft nur eine vage Vorstellung von den konkreten Folgen des Selbstwertverlusts. Selbstvertrauen, das ist doch selbstverständlich.
Genau an dieser Stelle liegt eine große Chance, sich als Unternehmer:in weiterzuentwickeln und auch als Mensch zu wachsen.
Warum Selbstvertrauen für Unternehmer:innen so wichtig ist
Wie wichtig Selbstvertrauen im Leben eines Unternehmer:in wirklich ist, merkt man oft erst, wenn man es bereits verloren hat. Plötzlich steht man vor ganz neuen Herausforderungen. Zum einen in Bezug auf das eigene Unternehmen. Andererseits, was einen selbst betrifft.
So vielfältig die Unternehmerpersönlichkeiten sind, so persönlich sind auch die Schilderungen in unseren Gesprächen. Wenn ich an meine eigenen Erfahrungen zurückdenke, erinnere ich mich besonders an folgende Geschichte:
Es war zu einer Zeit, als ich mit meiner unternehmerischen Ausrichtung unzufrieden war. Bis dahin hatte ich in den vergangenen Jahren viel erreicht.
Der Ausblick in die Zukunft bot jedoch nicht das, was ich aus unternehmerischer Sicht und auch persönlich machen wollte. Eine Kurskorrektur war daher erforderlich.
Da ich wusste, dass dies kein einfacher Weg werden würde, sprach ich vorher mit meiner Familie. Meine Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, wie wichtig diese Unterstützung für einen Unternehmer:in ist.
„Umso dankbarer war ich, als ich das Vertrauen bekam.“
Der Rest der Geschichte ist einfach erklärt:
Wie jeder erfolgreiche Unternehmer:in weiß, ist eine Unternehmung immer mit Chancen und Risiken verbunden. Gerade in den ersten Monaten und Jahren kann dies für alle Beteiligten ein hohes Maß an Unsicherheit bedeuten – eine Unsicherheit, die nicht alle bereit sind bis zum Ende auszuhalten.
Einer dieser Beteiligten auf meinem Weg war meine damalige Frau. Trotz intensiver Gespräche im Vorfeld und ihrer Zustimmung zur Kurskorrektur wurde ihr klar, dass dies nicht der Weg war, den sie im Leben gehen wollte.
Ich möchte ihre Entscheidung nicht verurteilen. Auch nicht die Art und Weise, wie sie ihren neuen Lebensweg eingeschlagen hat.
Die Ehe zerbrach. An sich nichts Ungewöhnliches in der heutigen Zeit und vor allem nichts, was einen selbstbewussten Unternehmer aus der Fassung bringen könnte.
Nichtsdestotrotz waren die Auswirkungen sowohl aus geschäftlicher als auch aus persönlicher Sicht enorm. Da zu dieser Entscheidung im Vorfeld kein einziges Gespräch stattfand, hat mich die Situation wie aus dem Nichts getroffen.
Ich hatte plötzlich das Gefühl, meinen Instinkten nicht mehr trauen zu können und geriet in eine Abwärtsspirale. Das war mir damals überhaupt nicht bewusst. Allerdings bemerkte ich schnell die negativen Auswirkungen, die diese Umstände mit sich brachten.
Heute weiß ich, dass meine Verwirrung als mangelndes Selbstvertrauen interpretiert wurde. Das hat viele Menschen in meinem Umfeld verunsichert, zum Beispiel die Teams, mit denen ich an internationalen Projekten gearbeitet habe. Oder Geschäftspartner, die meine plötzliche Ziellosigkeit als Schwäche empfanden und sich dann abwandten.
„Es war eine wesentliche Erfahrung, dass der Verlust des Selbstvertrauens mit dem Vertrauensverlust des Umfelds einhergeht.“
Warte also niemals darauf, dass andere hinter dir stehen. Sollte es dennoch überraschenderweise der Fall sein, ist es umso wertvoller.
Als Unternehmer habe ich drei wichtige Dinge für Geschäft und Leben gelernt:
- 80 % der Menschen interessieren sich nicht für deine Herausforderungen und 20 % sind sogar froh, dass du in dieser Problemsituation bist. Wenn du Glück hast, gibt es eine Handvoll Menschen, die dir zur Seite stehen.
- Gib niemals auf, egal wie hart das Leben ist
- Geld ist ersetzbar, Selbstvertrauen ist unbezahlbar
Wie Unternehmer:innen ihr Selbstvertrauen stärken können
Es gibt sicherlich viele Möglichkeiten für Unternehmer:innen, ihr Selbstvertrauen zu stärken. Ich bin ehrlich gesagt kein Freund von Selbstgesprächen im Spiegel oder von schlauen Zitaten wie „Denke stets positiv“.
Wer erlebt hat, was ein Verlust des Selbstvertrauens anrichten kann, weiß eines ganz genau:
„Positives Denken allein kann keine wirkliche Veränderung bewirken. Nur die Handlung, die wir tatsächlich tun, führt uns zu einem neuen Ergebnis.“
Im Laufe der Jahre habe ich viele Dinge ausprobiert und einige Lösungen geschätzt. Vier davon möchte ich im Folgenden mit dir teilen:
1. Mach reinen Tisch
Ausmisten und Aufräumen sind zwei wesentliche Eckpfeiler, wenn es darum geht, Klarheit zu schaffen. Dies gilt sowohl für unternehmerische Ziele als auch für geschäftliche und private Beziehungen. Meine Erfahrung ist, dass man viel zu oft Kompromisse mit sich selbst eingeht und sich dadurch letztendlich gegen sich selbst entscheidet. Beim Essen fällt es uns hingegen einfacher: Was uns nicht schmeckt, essen wir auch nicht. Warum also Entscheidungen aus unternehmerischer Sicht nicht genauso konsequent treffen?!
2. Setz dir klare Ziele
Das A und O im Leben sind klare Ziele. In Gesprächen mit Jungunternehmer:innen stelle ich jedoch immer wieder zwei Punkte fest: Entweder sind die unternehmerischen Ziele sehr vage definiert oder es werden zu viele Ziele gleichzeitig anvisiert. Beides führt in den seltensten Fällen zum Erfolg. Die Konzentration auf das Wesentliche, oder unternehmerisch gesprochen auf die maximale Wertschöpfung, ist ein kritischer Erfolgsfaktor.
3. In Lösungen denken und handeln
Ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, beinhaltet vor allem eines: Herausforderungen. Diese begleiten uns als Unternehmer:innen tagtäglich und es ist unsere Aufgabe, diese Herausforderungen zu lösen. Ich erlebe es immer wieder, dass zahlreiche Unternehmer:innen ihre Herausforderungen erkennen, dann aber in der Beschreibung des Problems und der Suche nach der Ursache ins Stocken geraten. In dieser Situation ist es viel wichtiger, Lösungsmöglichkeiten für eine konkrete Herausforderung zu entwickeln und die erfolgversprechendsten dann schnell umzusetzen.
4. Vertraue immer zuerst dir selbst
Mir ist bewusst, dass dieser Punkt die Meinungen spaltet. Ich halte jedoch nichts davon, die Dinge im Leben ausschließlich in rosarot zu sehen und deshalb sensible Themen nicht anzusprechen. Als Unternehmer:innen können wir uns diesen Luxus nicht leisten. Übrigens Punkt Nr. 4 bedeutet nicht automatisch, dass wir unseren Mitarbeiter:innen, Geschäftspartner:innen oder anderen Stakeholdern nicht vertrauen können. Ganz im Gegenteil:
„Ich bin davon überzeugt, dass man sich zuerst selbst vertrauen muss, um anderen Menschen vertrauen zu können.“
Abschließender Gedanke
Um noch einmal auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Was ist der härteste Moment im Leben eines Unternehmer:in?
Ein Teilaspekt der Antwort bleibt auch nach dem Schreiben/Lesen dieses Beitrags gleich: Jeder Mensch ist einzigartig und nimmt daher eine ganz individuelle Situation als DEN „härtesten Moment“ wahr.
Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass unser Selbstvertrauen die zentrale Rolle bei der Bewältigung von Herausforderungen spielt. Der mentale Umgang mit Problemen bestimmt unser Handeln.
Die daraus folgenden Entscheidungen können keinem Unternehmer:in abgenommen werden, denn es liegt in unserer Verantwortung, in jeder Situation Entscheidungen zu treffen.